Das sorgsame Beobachten hat ihn sein Vater gelehrt, von seiner Mutter hat er den Humor geerbt – zwei Eigenschaften, die Professor Dr. Henning von Philipsborn, Jahrgang 1934 und seit 1971 Professor für Kristallographie und Physik an der Universit?t Regensburg, bis heute auszeichnen. Am 11. M?rz feierte der Wissenschaftler seinen 90. Geburtstag. Etwa 50 G?ste lud er dazu auf den Campus, die Glückwünsche kamen aus aller Welt. Zu den Gratulantinnen und Gratulanten geh?rte auch Universit?tspr?sident Professor Dr. Udo Hebel, der sich in ein besonderes G?stebuch eintrug.
Ein Büro ist Henning von Philipsborns Büro eigentlich nicht. Es ist vielmehr, ?Labor und Museum“, wie er es lachend beschreibt. An einem Regal nahe des Eingangs klebt ein Zitat des Radioaktivit?ts-Forschers Ernest Rutherford, der zu Marie Curie gesagt haben soll: ?It must be dreadful not to have a laboratory to play around in.”
Tats?chlich vermittelt der Raum eine leichte, spielerische Atmosph?re: Sorgsam gepflegte Vitrinen voller beschrifteter Gesteinsproben, bernsteinfarbene Kristalle, grüne Trinkgl?ser, gelbe Glaskaraffen, geblümtes Porzellan, mit Pechblende bemalte Souvenirtassen, ein Fl?schchen portugiesisches Mineralwasser, Tierfigürchen, ein alter Feuermelder, Wüstensand im Glasr?hrchen – Kuriosa, die jeden Geigerz?hler zum Knattern bringen. Alle diese Objekte sind radioaktiv - beispielsweise mit uranhaltigen Glasuren versehen. Eine ungef?hrliche Sammlung, versichert von Philipsborn, entstanden in vielen Jahren des Forschens, Reisens und Recherchierens von Strahlungsarten, ihren Eigenschaften, ihren Halbwertszeiten.
Entwickler von Experimentierk?sten
Fach- und Spezialbibliothek ist der Raum ebenfalls. Von Philipsborn hat immer Bücher gesammelt. Zu Hause, sagt er, ?sind es 1500 Meter“. Eines seiner Lieblingsbücher ist jedoch sein pers?nliches G?stebuch, in das sich einzutragen von Philipsborn etwa 50 G?ste anl?sslich seines 90. Geburtstages am 11. M?rz eingeladen hatte. Der erste Eintrag des grün gebundenen Buchs stammt von 1972.
Seite um Seite enth?lt es liebevoll kreierte Collagen, die Zeugnis von besonderen Anl?ssen geben: Hochzeitserinnerungen, Geburtsanzeigen der Kinder, Nachrufe auf die Eltern, dazwischen Kinderzeichnungen, Briefe, ausgedruckte E-Mails – und nicht zuletzt die Glückwünsche zum 90. Geburtstag, aus deren Anlass sich auch Universit?tspr?sident Professor Dr. Udo Hebel in das Buch eintr?gt.
An mehreren Tischen im Raum sind Versuchsreihen aufgebaut, es gibt Messger?te zu sehen, ein Gammaspektrometer, Kalibrierproben, unz?hlige Laborgef??e. Zwei besondere Objekte, die von Philipsborn entwickelt hat, lassen sich bei ihm ebenfalls ausprobieren: Der ?Philion-Experimentier-Koffer“ und ein daraus weiter entwickeltes Experimentiersytem.
Von Radioaktivit?t und Radiometrie fasziniert
Radioaktivit?t und Radiometrie faszinieren von Philipsborn seit mehr als 70 Jahren, ?ich bin eine Frühgeburt – war schon immer neugierig“, sagt er augenzwinkernd. Sein Vater, Professor für Mineralogie und Lagerst?ttenkunde an der Bergakademie Freiberg, hat dem jüngsten seiner drei S?hne die Begeisterung für die Mineralogie von früher Kindheit an mitgegeben.
Unter anderem baute sein Vater die im Krieg verschüttete mineralogische Sammlung im Poppelsdorfer Schloss in Bonn wieder auf – der kleine Henning half ihm bei Messungen und Bestimmungen. ?Ich bin in mineralogischen Sammlungen aufgewachsen“, erz?hlt von Philipsborn. Schon in seiner Schulzeit stellte ihm der Vater ein kleines Labor zur Verfügung, mit dem der begeisterte Sohn bei Klassenfesten auch mal ein Feuerwerk produzierte – zur Begeisterung der Mitschüler, wie er lachend erz?hlt.
Die Welt erkundet
Henning von Philipsborn ging in Freiberg, Clausthal, Wei?enburg und Bonn zur Schule. Er begeisterte sich für die englische Sprache, h?rte das American Forces Network. Seine guten Sprachkenntnisse brachten ihn an eine US-amerikanische Schule in Amerikas tiefem Süden, wo er als Stipendiat des 1914 in Paris gegründeten ?American Field Service (AFS)“ an einem Schüleraustauschprogramm teilnahm. Das Auswahlgespr?ch, erinnert sich von Philipsborn, fand im Schloss Tutzing statt. Steven Gallatti, AFS-Gründer, empfing Henning von Philipsborn in New York City, und fragte, ob er wisse, wo Mobile, Alabama liege. Dort sollte er zur Schule gehen. Natürlich, antwortete Philipsborn, sich selbst zitierend, “deep South in the land of cotton…”.
1953 begann Henning von Philipsborn sein Studium der Chemie, Physik und Geowissenschaften in Bonn, 1954/55 studierte er an der Pariser Sorbonne Mineralogie und verinnerlichte Voltaire. Seine dritte Station waren Universit?t und ETH Zürich. 1959 macht er sein Diplom in Physik, mit einem Demonstrationsexperiment zur Messung der Lichtgeschwindigkeit. Nach seiner Promotion mit Auszeichnung im Fach Kristallographie 1964 ging Henning von Philipsborn ein Jahr auf Reisen, nach Afrika und Asien. Er bereiste ?gypten, Afghanistan, den Sudan. In Südafrika unterstützte ihn eine Cousine, die dort als Tier?rztin t?tig war.
Der Student verst?ndigte sich mit Englisch, Franz?sisch und Deutsch, unter Mineralogen damals eine internationale Sprache. Er übernachtete etwa alle zehn Tage im Hotel und reiste mit ?ffentlichen Verkehrsmitteln und per Anhalter. Bis heute hat von Philipsborn die Tagebücher, die er dort führte, und viele Fotos in seinem Privatarchiv. Er sei überall freundlich, ja herzlich empfangen worden. Immer hatte er auch ein besonderes Ziel: Uran- und Thorium-Vorkommen, Erzlagerst?tten, Bergwerke aufspüren und Proben einsammeln. Oft half die Familiengeschichte, Türen zu ?ffnen, sagt von Philipsborn. Die M?glichkeiten, die ihm die Eltern und deren Familien er?ffneten, sind ihm bis heute Verpflichtung.
Im Anschluss an seine Weltreise arbeitete von Philipsborn bei den Bell Telephone Laboratories und der Radio Corporation of America in den USA und in Zürich. Die Zusammenarbeit mit der Industrie setzte er ab 1971 in Regensburg an der Fakult?t für Physik fort, bis 2005 mit den Siemens Forschungslabors in München – dies mit an die 50 betreuten Diplom- und Doktorarbeiten. In 30 Jahren, von 1965 bis 2005, ver?ffentlichte der Wissenschaftler an die 100 Fach-Publikationen zu Werkstoffen der Mikroelektronik.
Das sch?nste Labor der Welt
Henning von Philipsborn kommt t?glich, auch am Wochenende, auf den Campus, experimentiert, schreibt, empf?ngt Kolleginnen und Kollegen aus Forschung und Lehre, unterstützt Fachtagungen, ber?t zu Strahlenschutz-Themen. Aus ?dem sch?nsten Labor der Universit?t“ blickt von Philipsborn gerne auf den Uni-Campus. Die Welle ist zu sehen, die Brücke über den Teich vor der Universit?tsbibliothek.
Die Freude über den sch?nen Ausblick ist Henning von Philipsborn anzusehen. Sie motiviert ihn, t?glich vor Ort zu sein - hinzu kommt eine eiserne (Selbst-)Disziplin und die Freude über die Studierenden, die er für die Forschung im Allgemeinen und die Radiometrie im Besonderen begeistert. Darunter sind Deutschlandstipendiatinnen und -stipendiaten der Mathematik und der naturwissenschaftlichen Fakult?ten. Zu deren F?rdernden geh?rt er nun im 13. Jahr. Am Tag des Besuchs bei Henning von Philipsborn sendet gerade einer herzliche Grü?e per E-Mail, auf dem Weg nach Seoul.
Henning von Philipsborn hat an die 100 Fach-Publikationen zur Radiometrie ver?ffentlicht, mehrere Bücher sind darunter, zur Mineralogie ebenso wie zu ?Radioaktivit?t und Strahlenschutz“ – ein Standardwerk, das zwischen 1992 und 2006 in acht Auflagen erschienen ist. Neben der universit?ren Lehre unterstützte der Wissenschaftler über viele Jahre in Bayern die Ausbildung von Umweltschutz-Ingenieuren zum Thema Strahlenschutz.
Er informierte mit eigenen regionalen Messungen der Radioaktivit?t die ?ffentlichkeit nach den Unf?llen in Tschernobyl oder Fukushima. Ab 1986 initiierte er die in Fachkreisen international bekannten Radiometrischen Seminare Theuern, führte sie selbst 70-mal durch, organisierte Ausstellungen und Exkursionen. Lange Jahre war er im Vorstand der Deutschen Mineralogischen Gesellschaft, aktiv beteiligt an deren Tagung 1974 in Regensburg, zusammen mit der International Mineralogical Association in Berlin. Vieles mehr lie?e sich auflisten.
Geschichte der Erde in 50 Objekten
Derzeit schreibt Henning von Philipsborn an einer ?Geschichte der Erde in 50 Objekten dank der Radiometrie“, mehrere Halbjahresberichte dazu hat er bereits ver?ffentlicht. Nicht nur Erdgeschichte, Geschichte im Allgemeinen begeistert von Philipsborn. Sein aktuelles Projekt über die Geschichte der Erde in Objekten beginnt übrigens mit einem ganz besonderen Tisch. Das au?ergew?hnliche Objekt ziert eine steinerne Tischplatte, die fast ein wenig an ein Raubtierfell erinnert und aus dem Pal?oproterozoikum stammt, der l?ngsten ?ra innerhalb der Erdgeschichte – sie beginnt vor etwa 2500 und endet vor 1600 Millionen Jahren. An diesem Tisch l?sst sich viel lernen. Auch l?sst sich formidabel eine Tasse Kaffee trinken. Und nicht zu vergessen: 百利宫_百利宫娱乐平台¥官网er Tage bittet Henning von Philipsborn, sich einzutragen, in das G?stebuch vom 25. November 1972.
twa.
Informationen/Kontakt
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Pers?nlicher Nachtrag von Professor Dr. Henning von Philipsborn:
?Die gro?en Freuden, die mir zum 90. Geburtstag mit so vielen lieben Wünschen und ?berraschungen bereitet wurden, haben mich sehr glücklich gemacht, und dafür danke ich herzlich. Insbesondere danke ich den Universit?tsleitungen seit 25 Jahren für die Gew?hrung des 100 qm gro?en Raumes an sch?nem Ort auf dem sch?nen Campus der Universit?t. 百利宫_百利宫娱乐平台¥官网 zur Weiterführung meiner Forschung, Lehre und Entwicklung zur Geschichte der Erde in vielen Objekten dank der Radiometrie. 百利宫_百利宫娱乐平台¥官网 dank Verst?ndnis und Unterstützung von sehr Vielen von nah und fern.“
Wer direkt mit Professor Dr. Henning von Philipsborns in Kontakt treten m?chte, erreicht ihn unter henning.philipsborn(at)ur.de (?ffnet Ihr E-Mail-Programm)
Foto: Julia Dragan / Universit?t Regensburg